Wie ist das eigentlich, so weit weg von zu Hause schwanger zu sein? Was machst du mit so Kleinigkeiten wie Schwangerschaftsgelüsten? Und was mit größeren Fragen wie Vorsorgeuntersuchungen? Und kann man in Äthiopien ein Kind gebären? Und will man das auch?
Wir haben uns schon eine Weile ein drittes Kind gewünscht, denn irgendwie sind wir noch nicht komplett. Aber die Vernunft hat bis zur Ausreise gesiegt und als ich einmal kurz vor Abflug mit einem verstauchten Fuss, der geröntgt werden musste, in der Notaufnahme saß und unsicher war, ob ich vielleicht doch „aus Versehen“ schwanger bin, war ich das erste Mal in meinem Leben – naja vielleicht das zweite Mal – froh über einen negativen Schwangerschaftstest!
Doch weil unser Wunsch so groß war, habe ich schon im Vorfeld mit erfahrenen Auswanderern, die Kinder in Ostafrika bekommen haben und mit deutschen Hebamme und Gynäkologen vor Ort gesprochen. „Kann ich in Äthiopien ein Baby zur Welt bringen?“ wurde immer wieder mit „Ja, bei einer unkomplizierten Schwangerschaft und deiner problemlosen Vorgeschichte, sollte das kein Problem sein.“ beantwortet. Nun gut, das waren gute Nachrichten, ich wollte nämlich auf keinen Fall das erste Mal zurück nach Deutschland, um ein Kind zu bekommen. Die Vorstellung fand ich total stressig und auch für die „großen“ Kinder ungünstig und viel zu aufregend.
Und so wurde ich 2 Monate nach Ankunft in Addis Abeba schwanger. Wir waren dankbar und aufgeregt.
Und dann kam irgendwie der Absturz. Ich hatte zwei so unkomplizierte Schwangerschaften hinter mir, mit nichts ausser Rückenschmerzen. Aber dieses Mal war wohl die Schwangerschaft in Kombination mit Kulturschock und all den neuen Eindrücken zu viel für meine Hormone. Mir war so übel und ich war so unendlich müde. Es ist gar nicht zu beschreiben, wie müde. Teilweise dachte ich, ich bin depressiv oder etwas stimmt nicht mit mir – aber alles stimmte. Es war dennoch wirklich hart. Immer wieder habe ich mir gewünscht, durch einen deutschen Supermarkt zu gehen und dann sind mir all die Dinge eingefallen, die ich dort auf der Stelle vernaschen würde: Schokopuddings, Milchschnitten, Cini Minis mit Vollmilch… Naja, ich hätte wohl auch in den ersten viereinhalb Schwanegrschaftsmonaten keine 12kg abgenommen, wenn ich deutsche Supermärkte zur Verfügung gehabt hätte. Hat also auch was Gutes! Schön reden will ich das trotzdem nicht. Es fühlt sich einfach richtig sch*** an, wenn man seinen Alltag nicht bewältigt bekommt und ein neues Baby erwartet, aber nicht mal in der Lage ist, sich um die zwei Kinder zu kümmern, die schon da sind. Ich habe viele Tränen geweint und mich an einen anderen Ort gewünscht. Habe mich, wenn ich Kraft hatte, daran erinnert, dass ich nicht nur schön und bequem, sondern auch hart und schwer kann, wenn es sein muss. Und ich habe es geschafft. Wir alle haben das geschafft. Und nun sind wir stärker als vorher.
In der zwölften Woche begann meine Welt wieder rosiger zu werden. Ich war immer noch müde – vor allem wenn ich mich um 13:30, genau in der Zeit in der ich mir eine Mittagspause wünsche, auf den Weg zur Sprachschule machte. Aber ich habe in dieser Zeit wieder Marmelade gekocht und mein Hochbeet besät und gespielt und gebastelt wieder mit meinen Kindern. Außerdem versuchten wir gerade einen Jungen, der hier allein im Flüchtlingscamp ist, nach Finnland zu seiner Mutter zu bringen und manchmal tat es einfach gut; etwas (sichtbares) Sinnvolles zu tun, das größer war als meine Probleme und wobei ich auch die Übelkeit und Müdigkeit vergessen konnte.
Für die Vorsorgen bin ich zu einer deutschen Hebamme hier gegangen, die mir sehr empfohlen wurde. Und habe sogar einen deutschen Mutterpass – Kleinigkeit, ich weiß, aber es fühlt sich super an! Die Hebamme und Ärzte dort in der Klinik sind auch echt super und ich fühlte mich total gut aufgehoben. Überhaupt glaube ich ja, dass Gott uns unser Baby schenkt und auch darauf aufpasst. Dass meine Kinder sowieso nicht mir gehören, sondern ich nur eine Zeit an ihrer Seite gehen darf. Das gibt so viel Ruhe und Sicherheit – trotz vieler Unsicherheiten. Denn nachdem ich die Entbindungsstation des Krankenhauses gesehen habe, musste ich erstmal schlucken. Das ist eines der privaten Krankenhäuser, eins, das sich viele Äthiopier nicht leisten könne. Ein „gutes“, wenn auch lokales Krankenhaus. Aber ich kann mir unter gar keinen Umständen vorstellen, dort ein Kind zu bekommen. Und da „selbstverständliche“ Dinge wie ein Beatmungsgerät sowieso nicht vorhanden sind, sehe ich auch keinen Grund dafür, mich mit Wehen durch den Verkehr hier zu schleppen – da kann ich wirklich gleich zu Hause bleiben. Und das ist tatsächlich eine Option. Ich habe mir lange eine Hausgeburt gewünscht und hier wäre das möglich. Allerdings ohne ein Krankenhaus in der Nähe, das unseren Standards entspricht. Deshalb ist sie doch wieder auf dem Schirm: die Option nach Deutschland zu fliegen. Und ich hadere mit ihr. Versuche mir das positive vor Augen zu halten. Doch ich würde viel lieber im nächsten Jahr, mit einem kleinen propper Baby zum Urlaub nach Deutschland fliegen. Alles richtig genießen und auskosten und nicht mich nicht als Hochschwangere und Wochenbettlerin – und einige Wochen teilweise ohne meinen Mann – durch die Tage schleppen. Vernunft oder Bauchgefühl? Vertrauen oder Verantwortung? Sind wir deutschen einfach zu sehr auf Sicherheit fixiert? Ich habe die Hightech Krankenhäuser in denen ich entbunden habe bisher nicht gebraucht. Meine Oma sagte mir letztens beim skypen: „Oh man, ihr seid aber ganz schön mutig.“ Und ich fragte mich, ob ihr das wohl damals jemand gesagt hatte, als sie ihre Kinder in ihrem Wohnzimmer bekam um sie in der Nachkriegszeit in einem Wäschekorb zu betten. Niemand hatte das mutig gefunden oder bewundert – oder Angst gehabt. So war das. Und heute ist es anders. Und was werde ich damit machen? In Äthiopien gibt es sehr sehr viele gesunde Kinder. Es gibt sie überall auf der Welt – auch dort wo es gar keine Krankenhäuser gibt. Und es gibt viele, die nicht mehr diese Erde bewohnen – eben weil es keine medizinische Versorgung gab. Könnte ich damit leben? Könnte ich „mir“ das verzeihen? Darauf musste ich eine Antwort finden.
In Gesprächen mit meiner Hebamme aus Deutschland hatten mein Mann und ich fast für einer Hausgeburt hier entschieden. Wir hatten dafür genug Vertrauen. Doch dann fanden wir uns in organisatorischen Fragen über Elternzeit und Geburtsurkunden und einen Reisepass. Wir merkten, dass wir lange auf einen Pass warten müssten und deshalb z.B. mit dem Baby, wenn es nach der Geburt irgendein gesundheitliches Problem hätte, dass in Deutschland behandelt werden könnte, nicht fliegen könnten. Außerdem waren wir urlaubsreif und alle Flüge in die umliegenden Länder waren fast genauso teuer, wie ein Flug nach Deutschland. Nur, dass es in Deutschland kein Dengue- und Malariarisiko gibt und wir keine Hotelkosten zahlen. Und irgendwie war dann der Gedanke an eine warme Wanne in einem Hamburger Kreissaal ohne Kakalaken und Bettwanzen sehr angenehm. Und der Geruch von Elbe und Fischbrötchen lag mir in der Nase und jetzt freuen wir uns auf Deutschland. Es gibt in dieser Situation glaube ich keine richtige und falsche Entscheidung und auch unsere Entscheidung birgt Kompromisse. Aber ich bin froh, dass wir sie getroffen haben!
Schön geschrieben. Ich wünsche Euch alles Gute und Gottes Segen.
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Liebe Sarah,
bei mir klappt das antworten nur so, die Hauptsache, Du erhältst eine Antwort!
Habe mich total gefreut, daà Du ein Baby erwartest â ja, ich kann mich das, weil ich mich auf jedes Baby gefreut habe und diese Zeit für mich eine ganz besondere war! Ich bin gedanklich gerade mal zurück gegangen, in eine Zeit, die eigentlich ganz furchtbar war, aber meine Kinder haben mich aufgerichtet und stark gemacht â manchmal heute noch!
In wenigen Tagen fliege ich nach Sizilien wo meine jüngste Tochter mit Ihrem Mann und 2 Mädchen lebt; wir feiern dort den 50. Geburtstag und ich darf noch 3 Wochen bleiben, das freut mich sehr, weil wir diese Zeit nutzen zum Austausch und da sie gläubig sind, haben wir eine gemeinsame Ebene. Vor einigen Tagen habe ich mit meinem angenommenen Sohn (von Gott her angenommen und geschenkt) welcher ja aus Adis Abeba stammt, gesprochen und vernommen, daà er mich im Herbst besuchen will; immer wunderbare Tage. Er ist Pastor in Washington, USA. Hatte auch schon intensiven Kontakt mit einem iranischen Ehepaar, einer jungen Frau aus Liberia mit Kind, einem jungen Mann aus Ghana,
so habe ich deren Kultur mitbekommen; sehr interessant und bereichernd. JESUS beschenkt mich immerzu, auch mittendrin im Begleiten einer todkranken Freundin; sie fand vergangenes Jahr im Nov. mit 93 J. noch zu Jesus â durch meine Zeugnisse! Ich kann den schlimmen Zustand aushalten und bei ihr sein mit meinen Liedern; stelle mir vor, daà sie so zum HERRN begleitet wird in ihr neues, schmerzfreies Zuhause.
Liebe Sarah, ich wünsche Dir eine sehr gute Schwangerschaft und für Euch alle eine schöne Vorbereitungszeit, seid gesegnet in JESUS Name und herzlich umarmt
von Wilfriede
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Liebe Sarah.ich war nie in Äthiopien
Aber ich kenne ausweglose Situationen….
Auch wenn ich am Ende der langen Wegstecke als Mutter stehe….ich habe 11 Kinder….
Du bist eine starke Frau.Danke ,dass es Dich gibt.
Maria
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Hallo! Das sind sehr interessante Gedanken. Wir wohnen in Mexiko, es scheint, dass hier die Bedingungen besser sind. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich fürs Kinderkriegen nach Deutschland fliege. Abgeseheb davon, dass ich komplett abgemeldet und nicht versichert bin, aber das ist etwas anderes. Danke für deine offenen Gedanken! Und alles alles Gute für das dritte Kind. Ich bin ebenfalls mit dem dritten schwanger und bei mir war diese Schwangerschaft auch enorm anders und viel leidvoller als die anderen. Ich selber drücke mir die Daumen für die Geburt und hoffe, dass sich Sorgen nicht bewahrheiten.
Euch alles alles Liebe und einen guten Start, dann zu fünft.
Liebe Grüße,
Nora
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