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Sagen wir es so: Ich bin bereit für den Frühling. Der Winter mit seiner Kälte und Dunkelheit zehrt an mir. Der Lockdown nimmt mir an manchen Tagen die Luft zum Atmen. Die Entwicklungen der letzten Monate fordern mich noch viel häufiger und heftiger an mir als mir lieb ist und manchmal macht sich in mir eine Traurigkeit breit und Lasten legen sich auf meine Schultern, die nicht mehr zu schultern sind. Wenn ich diese Situation – die ich hier auch nur anreißen möchten – noch mit einer Prise „Eigentlich geht es dir doch gut“ und „Es gibt Menschen, die es wirklich schwer haben“ und ein bisschen Druck, der nach „Wolltest du nicht eigentlich ein Segen für andere sein und jetzt sitzt du hier und fragst dich woher du die Kraft nimmst ein weiteres Mal den Spüler einzuräumen?“ klingt, mische und noch ein vorwufsvolles „Sei doch dankbar, es gab Zeiten, da hattest du keinen Geschirrspüler.“ dazu denke, findest du mich viel zu häufig den Tränen nah.
Und ich weiß, ich höre und lese und spüre, dass ich nicht die einzige bin.

Stehen, wo es weh tut
Dies hier ist kein politischer Artikel über die Gründe und Notwendigkeit eines Lockdowns oder dem Umgang mit der Pandemie. Es geht auch nicht darum, warum das Leben manchmal schwer ist und welche menschliche oder übernatürliche Macht dafür verantwortlich ist. Und dies ist auch kein, Artikel in dem ich dir vorschlagen werde, einfach mehr zu lächeln, dir ein Bad einzulassen und eine Kerze anzuzünden. Einfach ein bisschen mehr Happyness und dann läuft das bald wieder. Bloß nicht zu genau hinsehen, den Schmerz einfach ignorieren. Ein bisschen mehr Social Media, ein bisschen mehr Alltagsflucht und Ablenkung, dann spürst du bald nichts mehr davon. Oder vielleicht spürst du auch nichts mehr, nichts außer Leere. Nein, dafür mache ich mich hier nicht vor aller Welt verletzlich. Das ist zu billig. Mancher Schmerz, manches Tal kennt einfach keinen Quick-Fix. Manches Tal ist dazu da, damit wir stehen bleiben und hinsehen. Ich schreibe in „Weit weg, zu mir zurück“:
Ich bin am Ort der sich auflösenden Fata Morgana stehen geblieben. Und all die Enttäuschung, die Trauer und Aussichtslosigkeit sind über mich hereingebrochen. Dort habe ich in der Wüste gesessen und mit dem Fuß aufgestampft, innerlich getobt und hoffnungslos geweint. Aber ich bin nicht weitergegangen. Bin nicht losgezogen, um meine Sehnsucht und mein Bedürfnis nach Trost an einem anderen Ort zu stillen.
Weit weg, zu mir zurück
Meine Finger tippen hier Worte auf Papier um dir zu sagen: Bleib stehen. Brich zusammen, lass die Tränen laufen, aber lauf nicht weiter. Sieh hin, hier wartet Freiheit auf dich. Hier am Ort der sich auflösenden Fata Morgana wartet die Wahrheit und sie macht frei und sie ist bereit dir eine warme Umarmung zu schenken.
Keine einsamen Täler
Ich persönlich kann nichts schreiben, das meiner Meinung nach nachhaltig Hoffnung spendet, das nicht mit Jesus zu tun hat. Denn so oft habe ich meine Hoffnungen innerlich, unbemerkt und fast automatisch auf alle möglichen Dinge und Situationen gesetzt. Habe mich abgelenkt, mir Raum und Ruhe verschafft, gutes Essen bestellt, Kerzen angezündet, mich in Gedanken an bessere Zeiten geflüchtet, mehr gearbeitet, mehr Geld gehabt, mich versucht mit Schönem und Guten zu umgeben, mir weniger Sorgen zu verschafft, doch in der Tiefe meines Tals, in der Dunkelheit der Nacht und durch den Schleier meiner Tränen haben diese Dinge mich niemals gehalten. Sie haben mir sicher gut getan, aber nur einer kann mir geben, wonach meine Seele ruft. „Wo ist dein Gott, wenn das Leben schwer ist?!“ rufen sie. Und meine Seele kennt die Antwort, denn dies ist nicht das erste Tal. „Er ist hier. Hier bei mir.“ Im Tal bin ich nie alleine. Mein Gott ist ein Gott der der Weinenden nah ist (Mat. 5:4), mein Gott ist ein Gott der selbst weint (Joh. 11:35). Letztens hörte ich einen Gedanken, der mich seitdem trägt und tröstet, wenn ich das Gefühl habe, die Welt versinkt im Chaos – und meine Welt mit ihr. Wenn ich nicht mehr klar sehe, wenn ich mich verloren fühle.
„Und die Erde war wüst und öde, und Finsternis lag auf der Flut“ (Gen. 1:2) lese ich und finde es beschreibt mein eigenes Leben in solchen Zeiten gerade sehr gut. „Wüst und leer“ wird auf Hebräisch, der Sprache in der dieser Teil ursprünglich geschrieben wurde, mit Tohu-wa-bohu übersetzt. Es ist ein chaotischer, ungeordneter Zustand aus dem heraus Gott alle Schönheit geschaffen hat. Für ihn ist dieser Zustand ein Ort mit Pontential, kein endgültiger Moment, sondern ein neuer Anfang „und der Geist Gottes bewegte sich über dem Wasser.“ (Gen. 1:2). Denn Gott ist im Chaos nicht fern, nicht unzufrieden, nicht sehnsüchtig in die Zukunft heischend. Nicht rastlos und verzweifelt. Im Chaos ist Gott da und zwar überall. Seine Gegenwart ist präsent und allgegenwärtig. Spürst du ihn in deinem Tohu-wa-Bohu? Wie er sich über dich und um dich legt. Er kann das aushalten und du kannst es auch mit ihm an deiner Seite.
„Selbst wenn ich durch ein finsteres Tal gehen muss, wo Todesschatten mich umgeben, fürchte ich mich vor keinem Unglück, denn du, ´Herr`, bist bei mir!“
(Psalm 23:4)
wirst auch du sagen können.




Alles zerbrochen, alles neu
Wenn ein Samen in die Erde fällt, wird es dunkel um ihn. Die kalte Erde und der Winter legen sich um ihn und lassen ihn all seine Hilflosigkeit spüren. Und lange tut sich gar nichts. Was soll das? Wozu soll das gut sein? Das fühlt sich furchtbar an! Und dann kommt es noch schlimmer und schmerzt bis in die letzte Faser. Der Same zerbricht, plötzlich wird der Druck so groß, dass die Schale bricht. Unsere Welt ist voll von diesen Bildern, die dir leise zuflüstern wollen „Da ist Hoffnung in der Dunkelheit“ die Bilder sind an den Himmel und auf den Erdboden gemalt, die Kunst des Universums, die überall zu uns spricht. Es sind Bilder von Raupen und Konons, die vertrauensvoll darauf warten ihren ersten Flug zu unternehmen. Es sind Bilder von klaren Himmeln über vom Leid stillgelegten asiatischen Großstädten. Vom durch Feuer und Lava geschwärzte Landschaften, die zu neuem Leben erwachen. Und Bilder von schmerzhaften Geburten, die nichts als Freudentränen nach sich ziehen. Und Bilder von Samen, die tief und der Dunkelheit aufbrechen, um Neues entstehen zu lassen. Es sind Bilder des Frühlings, der nach jedem Winter kommt. Manches muss zerbrechen, damit der Licht hineinscheinen kann. Das gilt für die Natur und noch viel mehr für unser Herz. Nur leere Hände können Geschenke empfangen.
„Einige Tage später knete ich Pizzateig. Ich tue nichts anderes, als diesen Teig zu kneten: der Hefeduft in meiner Nase, die warme Masse in meinen Händen. Ich knete. Um mich herum ist es still. Normalerweise bin ich es gewohnt, Pizzateig schnell nebenbei zu machen. Während ich Podcasts höre, WhatsApp-Nachrichten beantworte, den Streit meiner Kinder schlichte und mit den Gedanken schon bei dem nächsten Punkt auf meiner To-do-Liste bin. Aber jetzt knete ich einfach in die Stille hinein. Denn es gibt kein nächstes To-do – zumindest keins, das eilt. Ich lebe mit dieser Stille, die sich wie eine Zumutung anfühlt. Oder überlebe ich nur? (…)
Und vielleicht knete in diesem Moment nicht nur ich. Hier werde ich geformt. Es ist still, leer und es ist Raum. Raum für die Tränen, die nun ohne Vorwurf und dennoch voller Schmerz meine Wangen hinunterlaufen. (…)
Es ist still in mir, als es flüstert: „Mir musst du nichts beweisen.“ Und in die Leere fließt all die Liebe hinein, die mein lautes, volles Leben nicht aufsaugen kann. Diese Liebe finde ich in der Wüste und diese Liebe formt mich. Zu einer Sarah, die nichts mehr beweisen muss, die nichts mehr leisten muss. Einer Sarah, die kein Gegenüber braucht, um ihre innere Leere zu betäuben. Dort stehe ich und knete Teig. Und es ist gut so.“
Ich möchte dich ermutigen. Lass die Leere zu. Lass den Winter, die Wüste, den Zerbruch, das Tal – nenne es wie du möchtest – lass sie zu. Und lass dich finden, spüre dass du nicht allein bist. Hier entsteht etwas Neues, hier kann Hoffnung dich finden.
In einem meiner vorherigen Täler schrieb ich in meinem Buch „Weit weg, zu mir zurück“: „Ich bin überzeugt, dass unsere Wüsten und Täler nicht zufällig auf unserem Weg liegen. Gott persönlich hält uns an der Hand und leitet uns nicht nur dorthin, sondern auch dort hindurch. Auch Jesus wurde vom Heiligen Geist in die Wüste geführt. Und ich für meinen Teil kann sagen, dass ich keine Wüste mehr scheuen möchte. Die Tränen, die ich dort weinte, waren echt. Die Angst war Furcht einflößend und wenn ich daran denke, gibt es eine menschliche Seite in mir, die ganz laut rufen möchte: „Ich gehe überall hin, aber nicht wieder an diesen Ort! Niemals! Das ist schlimmer als Zahnarzt ohne Betäubung!“ Aber dann gibt es eine Stimme, sanft und warm wie der Sommerwind, die meine Seele streichelt und flüstert: „Aber die Freiheit, die dir dort geschenkt wurde, willst du jemals wieder ohne die leben?“ Nein, niemals wieder ohne die! Sie ist unbezahlbar! Mitten in diesem Leid, im Auge des Sturms, im Zentrum der Wüste, wartete Freiheit auf mich. Ich war frei von der Verantwortung, mein Leben und meine Träume selbst verwirklichen zu müssen; frei von der Last für Gesundheit und Krankheit meiner Familie zuständig zu sein; frei davon, selbst die Lösung für meine Probleme sein zu müssen. Und frei von der Angst. Dieses Leben kann mir nur nehmen, was Gott gibt.
Dann sagte Jesus: „Kommt alle her zu mir,
die ihr müde seid und schwere Lasten tragt, ich will euch Ruhe schenken. Nehmt mein Joch auf euch. Ich will euch lehren, denn ich bin demütig und freundlich, und eure Seele wird bei mir zur Ruhe kommen. Denn mein Joch passt euch genau, und die Last,
die ich euch auflege, ist leicht.“ Matthäus 11,28-30Dieser Vers erklärt mir die Leichtigkeit, die in der Schwere liegt. Denn die Aussage, dass das Leben mit Jesus leicht und easy-peasy ist, wollte für mich nie mit meiner Realität und erst recht nicht mit der Realität der weltweit verfolgten Christen und den Herausforderungen, denen Menschen, die für Wahrheit und Gerechtigkeit einstehen, entgegentreten müssen, zusammenpassen. Aber es gibt eine Leichtigkeit, die man erst entdecken kann, wenn man bemerkt, welche schweren Lasten man eigentlich trägt. Erst wenn wir bemerken, für was wir uns alles verantwortlich fühlen, wie viele Dinge wir – wie ein Joch – wortwörtlich schultern wollen, können wir diese Dinge abgeben und in Gottes Hände legen. Dort sind sie gut aufgehoben und wir atmen wieder durch. Nicht, weil gerade alles so gut läuft, oder weil wir an der Spitze der Erfolgsleiter angekommen sind, sondern weil wir nichts mehr haben. Und deshalb haben wir auch nichts mehr zu verlieren. Wir haben keine Angst mehr und nur noch die Freiheit, alles als Geschenk entgegenzunehmen. Und darin kommt unsere Seele zur Ruhe.
Um an diesen Punkt zu kommen, müssen wir stehen bleiben. Mitten in der Dunkelheit, im Tal genau dort wo es wehtut nochmal hinfühlen. Dort dürfen wir hinsehen damit unsere Augen geöffnet werden. Vielleicht ändert sich erstmal gar nichts. Und doch kann sich dort alles ändern. Denn die allumfassende, wärmende Gegenwart des Gottes der Himmel und Erde in seinen Händen hält, kann eine Freiheit schenken, die man sogar in Fesseln spüren kann. Und die eignen Ängste und Lasten an den abzugeben, der die schwersten Kreuze die steilsten Berge hinaufträgt, damit wir frei atmen können, ändert für das Auge vielleicht zunächst nichts, aber für die Seele alles. Du musst deine Sorgen und Verantwortungen nicht allein tragen, denn du bist nicht allein – erst recht nicht hier im Tal. Hier entsteht etwas Neues. Siehst du es, es hat schon begonnen!

Eine Anmerkung für alle, die bis hierher gelesen haben aber sich nun denken: „Ich kenne Gott nicht, lese nicht die Bibel und bin auch nicht religiös. Ich vermute ich muss dann meine Lasten selber weiter tragen.“. Weißt du, nur weil du Jesus nicht kennst, bedeutet das nicht, dass er dich nicht kennt. Er kennt und er liebt dich. Wie du bist und wie du sprichst und du musst ihn nicht suchen. Er ist schon da. Es ist nicht kompliziert, nicht religiös. Es ist einfach und leicht, sprich nur mit ihm. Er ist da.
„Nur leere Hände können Geschenke empfangen“ schriebst du.Genau das habe ich kürzlich erlebt.
Ohne Essen,ohne meine geliebte Fanta,ohne Waschpulver,ohne Geld für eine Fahrkarte,ohne Geld für ein dringend benötigtes Medikament und ohne Schlafsäcke,Decken,Isomatten,Mützen,Jacken ( und ESSEN ) für Obdachlose ( welches ich denen so gerne gebracht hätte ) und ohne Helfer mit PKW,der mir beim Verteilen der Geschenke ( die ich zu dem Zeitpunkt nicht hatte ) helfen würde……und das im reichen Hamburg…….zu krank,um eine „richtige“ Arbeit machen zu können,zu religiös ( und zu kaputt ) um meinen ehemaligen Job als Liebesdamen ausüben zu können ( ohnehin gerade verboten )……..
Dann folgten eMails ( auf meine Flohmarkt-Gesuche-Anzeigen ) von Menschen,die mir Decken,Schlafsäcke,Isomatten,Mützen,Handschuhe,Socken,Jacken,Pullover,Tragetaschen,Kissen für Obdachlose anboten und diese vorbeibrachten.
Dann eine Frau,die mir für meine kleine Obdachlosenhilfe ein paar selbstgestrickte Schals,Mützen,Handschuhe und Teddys brachte—und Waschpulver ! ( Ich schrieb in einem Inserat „Leute,bitte bringt mir nicht ständig muffig riechende Sachen vorbei,ich komme mit dem Waschpulver kaufen nicht mehr hinterher“,deshalb kaufte sie mir Waschpulver ).
Dann ein unseriöses Angebot.Ich hatte Hunger und brauchte dringend ein bestimmtes Medikament,ohne dem mir 24 Stunden am Tag der ganze Körper entsetzlich weh tut.Ich sagte „ja“ ( wobei mein Innerstes „nein,ich will nicht!“ schrie ) und meine Adresse-damit der Kunde weiß,wo er mich findet.Ich frisierte und schminkte mich,zog mir Dessous und Pumps an und wartete auf den Kunden.Er verschob den Termin um eine Stunde.Eine Stunde später nochmal.Und eine Stunde später das selbe Spiel.Den nächsten Termin hielt er ein.Er gab mir 100,-€ und sagte,dass er gerade eben schon wieder einen Termin reinbekommen hätte ( er arbeitet im Außendienst ) und mich für die ständige Termin-Verschieberei nur entlohnen wollte.Er ging wieder,ohne,dass ich dafür etwas leisten musste.So konnte ich mir Essen und das benötigte Medikament kaufen.Ich hatte noch etwas Geld übrig und kaufte für 10 Obdachlose etwas zu essen,20 Capri Sun ( für jeden Obdachlosen zwei Stück ) und 8 große feste Tragetaschen.
Ich schrieb auf einer der Flohmarkt-Seiten ( zum wiederholten Male ) dass es draußen sehr kalt ist und ich dringend jemand mit PKW brauche,der mit mir zu den Obdachlosen fährt um die zu beschenken.Um 18h schrieb ich das Inserat,um 19h rief eine nette Dame mit PKW an,um 20h stand die bei mir vor der Tür und von 20:30h bis 22h verteilten wir Essen,heißen Tee,Capri Sun,Decken,Schlafsäcke,Isomatten,Socken,Pullover,Jacken,Kissen,Tragetaschen,Mützen,Schals,Handschuhe.Wir wurden umarmt,uns wurde Freundlichkeit entgegen gebracht,wir hatten genau das Richtige dabei.Nicht zu viel und nicht zu wenig.Bei den ersten beiden Obdachlosen trafen wir auf Menschen,die außer einer Pappe,auf der sie lagen,nichts hatten.Ihnen wurde zuvor alles gestohlen.Wir kamen wie bestellt.Und auch bei denen muss ich an deinen Satz denken „Nur mit leeren Händen kann man Geschenke empfangen“.
Ich möchte diesem schönen Satz noch etwas hinzufügen: nur,wer gerne beschenkt,wird beschenkt!
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Danke für deinen Text! Der hat mir gerade sooo geholfen! Und du kannst echt toll Gedanken in Worte fassen..ich freue mich schon auf den nächsten Artikel 🙂
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