Ich sehe sie an und finde sie perfekt. Perfekt nicht, weil ich so aussehen muss. Aber perfekt für sich. „Sie steckt toll in ihrer Haut.“ Denke ich, während ich meine Fitnesstrainerin beobachte. „Du bist so schön!“ sagt sie mir zum Abschied. Nicht weil sie aussehen will wie ich – vermute ich – sondern, weil auch sie findet, dass ich gut in meiner Haut stecke. Das ich gut für mich bin.

Ich liebe wie sie wütend die Tür knallt und mit quietschender, lauter Stimme den Typen hinter dem Steuer anschreit, der gerade viel zu sehr in die Bremsen steigen musste, um das Kind auf dem Schulweg am dunklen Dezembermorgen nicht umzufahren. Sie wird den ganzen Tag diese heisere Stimme haben, diese kleine Erinnerung im Hals, dass sie sich heute Morgen nicht zurück genommen hat. Und als ich weiterfahre hoffe ich, sie wird sich keinen Moment lang dafür schämen. 

Ich liebe, wir wir nebeneinander in der viel zu hellen Sauna sitzen und da einfach sind. Ohne Bauch einziehen oder unsere Schultern gerade rücken. Wir atmen frei in den Bauch, der sich dabei hebt und senkt. Wie wir einfach die Dinge sagen, wie wir sie sehen. Einfach so heraus und wie wir uns in der Vergangenheit geirrt haben und wovor wir uns fürchten. Und dann lachen wir laut, dass unsere Gesichter all ihre Falten schlagen und unsere Bäuche wackeln. Und niemand sieht das und niemanden interessiert das. 

Ich liebe die Achtzigjährige im Podcast, die mit ihren von der Zeit gekennzeichneten Händen beschreibt wie wohl sie sich fühlt und wie lebendig und wie sie diesen letzten Akt ihres Lebens so gestaltet. Dass sie darauf hinlebt, irgendwann zu sterben ohne etwas zu bereuen. Wie sie dabei lächelt, wie sie lacht. Wie sind in der Freiheit steht, die noch als sie Kind war Utopie war. Als Frauen noch um Erlaubnis fragen mussten, ein Konto zu eröffnen. 

Ich liebe, wie sie ins Team schreibt, ob wir unser monatliches Treffen auf eine andere Woche legen könnten. Weil sie sonst immer struggelt, wenn wir uns sehen, weil es genau ihr Winter sei. Und, dass sie wisse, dass wir auch alle eine Periode haben. Und wie es für alle kein Problem ist und wir alle unsere Kalender nächstes Jahr umplanen. Wegen ihrer Periode. Und wie uns das alle sehr glücklich macht, dass das geht.

Ich liebe, wenn ich sehe, wie wir streiten. Auf Elternabenden und in tausend Whatsappgruppen und Tür-und-Angel-Gesprächen. Ich wünschte, wir würden mit Männern streiten. Aber wir streiten mit Erzieherinnen (muss man nicht ändern – leider) und Grundschullehrerinnen (leider auch nicht ändern hier. Männer sind zu Höherem berufen und können ja auch länger als bis 13:00 arbeiten, richtig?) Wir streiten um glutenfreie und zuckerhaltige Ernährung, um Bring- und Abholzeiten und zu früh oder spät angekündigte Klausuren und Ausflüge. Manchmal bleibt der Ton angemessen und manchmal auch nicht. Weil wir so müde sind. Und weil wir das Beste für unsere Kinder wollen. Und ich liebe uns dafür. Wir sind nicht hysterisch. Wir geben hier alles. 

Ich liebe, wie sie kurz aufsehen als ich mich dazu setzte, kurz überlegen ob ich dieses Gespräch aushalte und ob sie mich aushalten. Dann sprechen sie weiter darüber, ob sie einen Partner haben wollen. Oder ob die Statistiken am Ende doch stimmen, dass sie sich in diesen Beziehungen hauptsächlich aufopfern werden. Und ob heiraten ein Ziel ist und, dass viele von ihnen nicht sicher sind, ob sie Kinder haben wollen. Und ich liebe sie für diese kleine verletzliche Gemeinschaft in der Gedanken gedacht werden dürfen, die mir, als ich in ihrem Alter war, eigentlich unsagbar schienen. Gedanken, die ich nichtmal gedacht habe.

Wie sie da sitzt und weint über ihren Kinderwunsch. Jeden Monat wieder. Wie wir uns Halbwissen über Hormone und den Einfluss von Stress hin und her werfen. Wie wir uns unterhalten, was das mit uns macht, als Frauen gesundheitlich eigentlich unerforschte Wesen zu sein. Und was das mit uns macht, dass eine mehr Kinder hat als geplant und die andere weniger. Und wir sehen uns in die Augen und wir wissen: Wir lieben einander.

Ich liebe Frauen. Nicht auf eine romantisch Art. Nicht das Stereotype an uns. Meine Liebe für Frauen ist roh, solidarisch und voller Ehrfurcht vor dem wo wir herkommen und wo wir noch hingehen werden.

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