„Viele Christen stehen hinter Ihnen“, beendet er das Interview und wünscht noch viel Erfolg bei der Wahl. Ein Gespräch*, das – hätte es persönlich im Wohnzimmer von Alice Weidel, zu einem anderen Zeitpunkt oder im Vergleich mit allen anderen Kanzlerkandidaten stattgefunden – ein wirklich sympathisches Gespräch hätte sein können. Wäre es nicht von einer Person geführt worden, die kurz zuvor Trump angefeuert und dabei „fight, fight, fight!“ gerufen hatte. Nicht nur im unbedachten Affekt, sondern bewusst vom eigenen Team gefilmt und selbstständig im Internet veröffentlicht.
Man kann dem „Ketzer der Neuzeit“ hier auch nicht jugendliche Unerfahrenheit zugutehalten, denn er ist schon lange in der rechten politischen Szene unterwegs. Unterstützt wird sein Verhalten von einer ihm nahestehenden Influencerin Jasmin von @liebezurbibel. Die kritischen Stimmen dazu versucht Mia Friesen – eine starke Stimme der Freikirchenwelt – mit Aussagen wie: „Anstatt uns davon trennen zu lassen, wem wir politisch mehr vertrauen, sollten wir unseren Blick darauf richten, dass wir für unser Land das Gleiche wollen“, auf ihrem Instagramkanal zu besänftigen. All das sei wenige Wochen vor der Bundestagswahl natürlich keine Wahlwerbung.
Ich für meinen Teil bezweifle, dass wir alle tatsächlich das Gleiche wollen. Und ich bin auch nicht der Meinung, dass wir als Christ:innen alle das Gleiche wollen müssen. Doch ich bin nicht der Meinung, dass diese drei Personen für uns als gesamte Christenheit sprechen dürfen. Denn die meisten Christ:innen stehen nicht hinter Ihnen, Frau Weidel.
Die „massenhafte Abschiebung und „Remigration““, widerspricht zutiefst dem christlichen Wert der Nächstenliebe und Barmherzigkeit gegenüber Fremden und der „Austritt aus der EU (Dexit)“ ist nicht mit dem christlichen Prinzip der Solidarität und Zusammenhalt zwischen den Völkern zu vereinbaren. Außerdem ist die „Einschränkung des Asylrechts“, die dem Schutz der Schwachen widerspricht als Programmpunkt aus dem aktuellen Wahlprogramm der AfD einer von vielen Gründen, die Partei allein von ihrem Wahlprogramm her nicht zu wählen. Darüber hinaus sind Gerechtigkeit – über die Jesus allein mehr als dreihundert Mal in der Bibel spricht –und Rechtsstaatlichkeit Teile unserer Demokratie, die für Christ:innen von äußerst hohem Wert sind. Die AfD steht im starken Widerspruch zu diesen Werten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Partei “Alternative für Deutschland” (AfD) und ihre Jugendorganisation “Junge Alternative für Deutschland” als Verdachtsfall eingestuft. Diese Einstufung wurde durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen bestätigt. Das Gericht wies die Berufungen der AfD und der “Junge Alternative für Deutschland” gegen vorherige Urteile des Verwaltungsgerichts Köln zurück, die die Einstufung als Verdachtsfall sowie deren Bekanntgabe für rechtmäßig erklärten.
Zudem hat das Bundesamt für Verfassungsschutz den parteiinternen Zusammenschluss “Der Flügel” als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Diese Bewertung wurde am 12. März 2020 veröffentlicht. Diese Einstufungen und gerichtlichen Bestätigungen unterstreichen die Einschätzung des Verfassungsschutzes, dass Teile der AfD als rechtsextremistisch betrachtet werden. Dies zeigt sich immer wieder durch beunruhigende Strategien von Organisationen, die sich zum Beispiel „der patriotische Untergrund der AfD“ nennen. Gerade vor wenigen Tagen, erging ein Drohbrief mit AfD Logo an einen Probst.
Deshalb ist es für aus unserer christlichen Überzeugung heraus ausgeschlossen, eine in Teilen gesichert rechtsextreme Partei in den Bundestag zu wählen.
Dies ist nicht nur meine persönliche Meinung als Sarah Keshtkaran von „honigdusche“ sondern Konsens unter den meisten Kirchenverbänden. Der Bund der Baptisten stellt klar: „Halten wir fest: Rechtsextreme Parteien können für Christinnen und Christen kein Ort politischer Betätigung sein und sind nicht wählbar.“ Andere Kirchen veröffentlichten: „Die Landessynode ist besorgt über die Gefahren für unsere Demokratie und Gesellschaft, die von den politischen Zielen der AfD ausgehen. Die politischen Grundsätze der AfD sind nicht vereinbar mit den Grundwerten der Evangelischen Kirche im Rheinland.“ Die Pressemitteilung der Bischofskonferenz erklärt: „Wir sagen mit aller Klarheit: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar. Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen – dazu gehören insbesondere Rassismus und Antisemitismus – ist überdies mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar.“ Und auch der eher konservative, pietistische Gnadauer Verband veröffentlichte schon 2022: „Je stärker rechtspopulistische oder gar rechtsnationale Einflüsse die Haltung von Einzelnen und damit auch das Gemeinschaftsgefühl einer Gruppe bestimmen, desto stärker wird ein solches Christentum partikularisiert, für gesellschaftspolitische Zwecke funktionalisiert und ideologisch instrumentalisiert. Damit aber wird der Christus-Glaube verfremdet und die christliche Gemeinschaft selbst geradezu pervertiert. Mit konservativen Werten hat das nichts mehr zu tun, mit einer konservativen Theologie ebenso wenig.“
Ja, liebe Frau Weidel, sie haben ein paar Christ:innen gefunden, die Sie unterstützen. Doch sie sprechen nicht für uns als Gesamtheit. Es sind nicht so viele wie man denken könnte – sie sind nur teilweise sehr laut.
Ich gehöre nicht zu ihnen.
Und wie sie in diesem Artikel lesen können, spreche ich damit für die Mehrheit.
Wir werden weiterhin widersprechen, denn die meisten Christ:innen stehen nicht hinter Ihnen.
* Ich habe mich bewusst entschieden, das Gespräch nicht zu verlinken, da jeder Klick die gewünschte Wirkung bedient und dafür sorgt, dass es noch mehr Aufmerksamkeit bekommt. Es handelt sich um ein Gespräch zwischen Alice Weidel und Leonard Jäger einem rechtspopulistischem Christen.
Danke für diese guten Worte! Ich hoffe, dass die vie
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Danke für deine klaren Worte und die Links zu den Aussagen der Kirchenbünde.
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super, danke dir für deinen Text – gerade jetzt! So klar und so menschenfreundlich braucht es uns als Christ:innen! Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, das alles so deutlich zusammen zu schreiben. Wir sind viele. Wir sind für Menschenwürde, für Nächstenliebe und für Zusammenhalt. Ich bin sehr froh um Menschen wie dich und auch unseren evangelischen Pfarrer hier vor Ort: gemeinsam sind wir viele und ganz schön laut! Daher freue ich mich sehr, dass ich am Sonntag mit dabei bin bei http://www.fuer-alle.info
*Ich habe mich seit zwei Tagen zusammen gerissen, das besagte Video in meiner YouTube Timeline nicht anzuschauen, aus bloßer Neugierde. Darum bin ich sehr froh.
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Ich wünsche mir mehr (junge) Leute, die sich aufmachen und unsere Politiker fragen, ob sie an Gott glauben! Ich wünsche mir mehr Menschen, die unsere Politiker ermutigen, Gott zu suchen. Ich wünsche mir mehr Politiker, die ehrlich zugeben, dass sie noch Suchende sind, mehr Politiker, die junge Menschen fragen, wie sie zu Gott gefunden haben und bereit sind ihnen zuzuhören! Ich wünsche mir mehr Christen, die für diese Politiker beten- unabhängig ihrer politischen Ausrichtung- mehr Christen, die ihre Feindbilder niederlegen und für unser Land beten! Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die wieder lernt, verschiedene Meinungen auszuhalten und ich habe Hoffnung ! Hoffnung, dass Gott allen Menschen nachgeht und seine Geschichte schreibt.
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Vielen, vielen Dank – liebe Patrizia – für Deinen Kommentar, aus dem für mich so viel Weisheit, Liebe und Heilung spricht. Mich macht die Spaltung in unserer Gesellschaft ratlos und traurig. Dieses „Niedermachen“ und „in Schubladen stecken“ – übrigens von allen Seiten! Wir brauchen so dringend Brückenbauer und Friedensstifter. Menschen, die bereit sind, die Grabenkämpfe einzustellen und einander neu zuzuhören. Mit Respekt und Wertschätzung und Aufgeschlossenheit und… – Liebe: weil Jesus uns d a s vorgelebt hat.
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Danke für diese klaren und wahren Worte! Amen dazu! Mir ist es absolut unbegreiflich wie Christen diese Partei als Alternative in Erwägung ziehen können und ich hoffe, dass dein Artikel sich weit verbreitet!
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