Am 27. Dezember 2016 habe ich meinen ersten Post auf Instagram hochgeladen. Ein Bild meiner Tochter, schonungslos unzensiert, küsst die jüngere Version von mir ihre weiche Wange. Darunter der Text: „Und ich weiß mittlerweile, dass ich früher einfach nichts wusste, als ich dachte, ich wusste alles besser. (…) Viel Spaß beim Lesen liebe Mamis!“ Bis heute hat der Beitrag 45 Likes. Ein unverfängliches Kennenlernen.
Es war eine schöne und sorglose Zeit. Wir alle bildeten uns ein, dass wir einander einfach Fotos und Gedanken teilten. Mitten im Internet. Man schien sich zu kennen, es bildeten sich Bubbles und Communities. Ich fing an einen Blog zu schreiben. Die App war ein Ruheort und wir passten richtig gut zusammen.
Es gab noch nicht einmal Stories. Eine App ohne Bewegtbilder. Nur Fotos, keine Karusselle. Ein Foto, ein Text. Ich komme mir so alt vor, wie ich mich jung finde, wenn ich das erste Foto sehe. Das ist lange her. Und ich vermisse es. Unsere erste Liebe.
Kurz danach kam meine beste Phase mit dieser App. Hätte ich gewusst, dass es nicht ewig so weitergeht, hätte ich es vielleicht noch ein bisschen mehr genießen können?
Ich kaufte meiner Freundin ihre alte Kamera ab. Die habe ich bis heute und ich will auch keine andere. Ich werde wohl alt. Mit dieser Kamera. Während Instagram Anti-Aging betreibt. Diese Kamera und ich machen seitdem Bilder, die damals gut ankamen. Mehr und mehr Menschen folgten meinem Account, lasen meine Texte, likedten meine Posts. Kurz danach erhielt ich zwei Anfragen von Verlagen, ein Buch zu schreiben. Ich schrieb mein erstes Buch „Frauen, die keinen Punkt machen, wo Gott ein Komma setzt.“ Eine aus meiner heutigen Sicht vorsichtige, doch damals mutige christliche-feministische Erklärung. Und plötzlich kannte man mich, ich wurde „Die Honigdusche“. Instagram hat mir Türen geöffnet für dich ich nach wie vor dankbar bin. Die App gehörte zu meinem Alltag unsere Beziehung wurde normal.

Als die ersten Menschen das Handy dann umdrehten und Videos im Selfiemodus aufnahmen und diese als Stories hochluden, konnte ich mir kaum vorstellen, dass ich da jemals mitgehen würde. Doch kurze Zeit später war das mein neues Normal. Irgendwann probierte ich eine Kooperation aus. Ich erzählte wovon ich begeistert war und wurde dafür bezahlt. Das empfinde ich nach wie vor als großes Privileg. Und tatsächlich bin ich ein bisschen stolz darauf, dass ich mich nie hinreißen lassen habe, Werbung für Rügenwalder Mühlenwurst zu machen. Ich habe über diese Arbeit tolle Firmen und Produkte entdecken dürfen und ging Schritt für Schritt weiter. Honigdusche und Instagram, das war ein Pärchen das gemeinsam erwachsen wurde und auch erste Herausforderungen meisterte. Doch wird die Liebe halten? Oder leben wir uns auseinander?
Die App wandelte sich, ständig und „ich weiß, dass ich früher nichts wusste“ wurde einfach zu einer ständigen Normalität. Nebenbei wurden Kinderrechte groß, man sprach das erste Mal über Algorithmen, kennzeichne Werbung, ich hatte meine erste Steuerberaterin und Menschen begannen Reels aufzunehmen. An diesem Punkt war ich unsicher, ob es nur wieder so sein würde wie mit den Stories, gegen die ich mich erst wehrte und sie dann lieben lernte. Aber ich merke, dass seitdem eine Entfremdung einsetzt. Es wird komplizierter.
Mein Account steht für Tiefe und sucht auch die Langsamkeit und Gelassenheit im Alltag. Und ich merke, wie diese Werte immer mehr im Kontrast zur Schnelligkeit und Oberflächlichkeit dieser App stehen. Eine Freundin beschrieb mir, wie ihre Teenagertochter Reels anschaut und schilderte in einer Weise wie nur Mütter ihre Töchter fassungslos und voller Bewunderung betrachten können, dass diese maximal die ersten drei Sekunden jedes Videos ansieht und sie dann ohne die restlichen langen vier Sekunden zu Ende zu sehen, direkt an Freunde weitersendet. Das geht ohne Unterbrechung so für Stunden. Das ist faszinierend und doch auch furchtbar abstoßend. Entliefe ich mich gerade?
Ich bin persönlich angewidert von den Menschen die Meta, X und die Soziale Medienwelt anführen. Die Musks und Zuckerbergs dieser Welt treffen in ihrer grenzenlosen Gier und Rücksichtslosigkeit eine Entscheidung nach der anderen, die ich nicht nur falsch sondern gefährlich finde. Heute postete ich:
„Manchmal frage ich mich, ob ich beruflich mit dem Teufel liiert bin.“
Das Gute ist ja, dass wir keinen Bund fürs Leben geschlossen haben. Ich habe Instagram keine Treue geschworen. Ja, vielleicht haben wir uns auseinander gelebt. Ich brauche auf jeden Fall etwas Abstand. Nicht nur etwas Digital Detox hier und da, sondern eine wirtschaftliche und berufliche wachsende Unabhängigkeit von dieser App.
Obwohl ich schon damals wusste, dass ich mich verändere, das meine gestrigen Überzeugungen heute schon überholt sein können, wusste ich doch wozu ich angetreten war: Um andere Frauen zu ermutigen, zu stärken und ihnen mit meinen Worten Inspiration zu schenken. Ich habe jetzt zehn Jahre lang dafür gearbeitet, ein Business aufzubauen das sowohl kreativ als auch wirtschaftlich funktioniert. Und ich werde die Zukunft von „Honigdusche“ nicht weiter in die Hände von Menschen legen, denen ich nicht vertraue.
Ich will wieder wissen für wen ich schreibe.
Ich will mich wieder sicher fühlen, mich verletzlich zu machen.
Ich will ästhetisch, ruhiges Design und Bilder teilen.
Ich will Zeit haben und meinen Worten Raum geben zu wirken.
Es ist nur so ein kleiner Schritt. Nur ein neues Angebot im Meer von tausenden. Eine Idee, ein Bauchgefühl, eine Hoffnung.
Ich möchte euch Briefe schreiben!
Vielleicht bist du wie ich eine Mama, die nicht nur Mama sein möchte oder eine Christin, die ihren Glauben aufgeklärt und authentisch leben will. Vielleicht bist du, wie ich, eine Frau, die sich nach liebevollem Feminismus sehnt. Dann darf ich dich herzlich einladen, Teil meiner Community zu werden und hier den Newsletter, die Briefe von Honigdusche, zu abonnieren.
Seitdem läuft es mit Instagram und mir auch wieder besser. Der Abstand tut uns gut. Es ist nach wie vor kompliziert, aber so ist das Leben eben auch manchmal. Instagram, ich kann verstehen, dass du dich veränderst. Du machst das nicht gegen mich – du machst das für mich. Und ich werde einfach nicht mehr so doll versuchen, von dir gemocht zu werden. Vielleicht werde ich dadurch auch wieder attraktiver für dich – manchmal passiert das ja. Aber es ist auch ok, wenn du mich nicht mehr so spannend findest, ich schwöre dir keine ewige Treue und erwarte das auch nicht von dir. Ich wusste es früher auch nicht besser als heute – es bleibt kompliziert. Und ich bleibe auch. Noch.
Die Idee gefällt mir sehr gut, habe auch die letzten Wochen ohne Instagram verbracht und deine Gedanken vermisst!
Alles Gute für diese neue Reise!
Julia
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Liebe Sarah, danke für Deine Zeilen. Schon länger bekomme ich Deinen Newsletter/Blog und ich freue mich jedes Mal, Deine tiefgründigen Worte zu lesen. Ich bin auf jeden Fall auch in Zukunft dabei (muss ich mich da nochmals für Briefe von Honigdusche eintragen?).
Zugleich bin ich aber durch Dich auch auf viele interessante Sachen auf Instagram gestossen. – Würde das echt vermissen (z.B. den Hinweis auf das Reel von maghantschanz mit den Bildern aus der Amtseinführungspredigt von Bischöfin Budde). Aber vielleicht gibt es da ja in Zukunft auch andere Wege…
Ich träume von einer Frauencommunitiy, die sich gegenseitig ermutigt, in Liebe aufzustehen und die Ungerechtigkeiten der Welt anzusprechen. Und Dinge anzugehen, zu verändern. Wir brauchen je länger je mehr vereinte „Bonhoefferinnen“ oder Buddes in unserer Welt. Wir brauchen einander, um uns gegenseitig zu ermutigen, dran zu bleiben. Vielleicht gibt es ja irgendwann eine „weibliche Plattform“…
Liebe Grüße Petra
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Liebe Sarah! Danke für diese Gedanken. Mir gefällt die Briefform besser. Dann bleibe ich gezielt nur bei Dir und schaue eben nicht noch viele andere Reels oder sonstwas in Instagramm an und vergesse fast was Du zuvor geschrieben hattest. Und manches in Instagramm konnte ich gar nicht so schnell lesen. Ich lese gerne von Dir und Deinen Gedanken! Be blessed today in Jesus love!!! LG Jutta
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Liebe Sarah,
mir erging es Anfang des Jahres ähnlich und habe tatsächlich die Entscheidung getroffen, meine beruflichen Accounts auf Social Media stillzulegen. Stattdessen fokussiere ich mich auf Blog, Podcast und Newsletter. Denn genauso wie Du schätze ich Werte wie Ruhe, Langsamkeit und Verbindung. Deshalb trage ich mich gerne für Deine Briefe ein und freue mich auch ohne Instagram mit Dir in Verbindung bleiben zu können.
Alles Gute für Dich, Julia
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