„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht“ setzte ich an, als ich das Mikrofon in die Hand nehme, um zusammen mit zwei meiner Kindern ein Spiel auf dem Hochzeitsjubiläum meiner Eltern zu moderieren. Fünfzig Augenpaare sind auf mich gerichtet, da beginnt meine Tochter an meinem Hosenbein ziehend zu weinen. Kurz vor dem Zusammenbruch. Sie will bei mir sein. Jetzt. Meine Schultern sinken, son Mist! Aus diesem Moment kommen wir jetzt nicht schnell beide wieder glücklich raus. Und da sind fünfzig Menschen, die mich ansehen. Und zwei flehende Augen, die nur mich und niemanden sonst zu sehen scheinen. Ich atme tief durch und bin überfordert. Mein Blick trifft meinen eine vertraute Person. Ich sehe Verständnis. Und er sagt später: „Ich kann total verstehen, dass du dir in solchen Momenten eine Pausen wünscht. Das die Welt einfach einmal anhält oder irgendwo eine Tür aufgeht, wo du kurz durchatmen kannst.“ Ja. In solchen Momenten wünsche ich mir eine Pause.
Es ist nachmittags. Zeit für einen Kaffee. Ich trinke einen nach dem Aufwachen, während ich Brotdosen fülle und Frühstück mache. Einen trinke ich bevor ich beginne zu Arbeiten – also Arbeit zu tun für die ich bezahlt werde. Die schwerste Arbeit habe ich eigentlich schon hinter mir, wenn jedes Familienmitglied satt und angezogen das Haus verlassen hat. Und dann trinke ich einen Kaffee wenn alle Kinder wieder da sind und der Nachmittag beginnt. An manchen Tagen fühlen sich die Nachmittage an wie Urlaub. Wenn ich vorgekocht habe, keine Hausarbeit zu tun ist, die Sonne scheint, das Eisfach ist voll und es in der Schule keinen Frust gab, den man erstmal zuhause abladen muss. Und niemand ist müde aus der Kita gekommen. Dann spielen wir zusammen oder ich lese kurz was. Die Kinder verteilen sich in der Nachbarschaft oder füllen unseren Garten. Ich genieße meinen Kaffee dann sitzend und lasse die Schulten sinken, den Kopf nach hinten fallen und atme dankbar durch. An anderen Tagen ist „nur noch kurz das hier“ meine innere Platte mit Sprung an dieser Stelle. Und während ich nur noch kurz, den Müll rausbringe, die Kaninchen füttere, dabei hundert Schuhe im Flur sortiere, einem weinenden Kind ein Pflaster klebe, ein rufendes Kind zum vierten Mal mit „Gleich! Ich bin kein Oktopus“ vertröste, während jemand auf Toilette kläglich meinen Namen ruft, habe ich die ganze Zeit die Windel in der Hand, die ich eigentlich in den zu vollen Müll werfen wollte. „Nur noch kurz“ wird gefüttert von „Erst die Arbeit dann das Vergnügen“ und wächst in mir zu einer ungeplanten und unübersehbaren und vor allem unendlichen Todo-Liste heran, die mich niemals sitzen lässt. Erst als es schon längst Zeit fürs Abendbrot ist und ich mich „nur noch kurz“ hinsetzte während die Nudeln überkochen.
Seit Monaten steht es ganz oben auf dieser ToDo-Liste. Seit Monaten finde ich wichtigeres, was erst „noch kurz“ zu tun ist. Zweifle zwischenzeitlich, ob es wirklich nötig ist. Und verfluche, dass ich es immer wieder übersehen habe, wenn ich doch zwischendurch an freien Tagen und Wochenende wieder meine Emails checke. Heute krame ich es hervor, das alte, ausrangierte Handy, das meine Pausen stillen soll. Heute Abend wenn mein Mann mich zu Hause ablöst, fahre ich direkt zum nächsten Handy-Shop. Ich vergleiche nicht mehr online, ich schiebe es keinen Tag länger auf: Es ist Zeit für ein privates Handy! Eins, dessen Nummer nur sehr wenige Menschen kennen, und wo die Schule oder Kita mich erreichen kann, wenn ich mitten im Wald auf einem Ausritt bin – aber sonst auch niemand.
Die Autotür fällt an der Kita ins Schloss. Ich sitze kurz. Schließe für einen Moment die Augen und entscheide mich für die Musik, die mich heute begleiten soll. Irgendwas Richtung Deutsch-Pop, Singersongwritermässiges. Und laut. Vor allem laut. Zündung drehen und los gehts. Ich fahre durch Landstrassen, Wiesen und Feldwege. Ich fahre durch Winter, Frühling und Sommer. Ich fahre durch Regen, Hagel, fallende Blätter und Sonnenschein. Ich fahre in Winterjacke und Thermohose und in Shorts und T-Shirt. Ich fahre seit einem Jahr jede Woche auf den Ponyhof und verbringe einen Vormittag in der Woche allein in einem Geruch, der mich seitdem ich mich erinnern kann mit Endorphinen flutet. Ich laufe lange Wege über Wiesen, putze eingetrockneten Schmutz auf weißem Fell, mache mir die Finger schmutzig und das Herz leicht.
Ich habe begonnen auf den Hof zu fahren, als ich dringend eine Auszeit brauchte und dann regelmäßig angezweifelt ob es die viele Zeit und das Geld wert ist, als es mir besser ging. Mittlerweile gibt es viele Wochen an denen ich vorsorglich Pause mache. Ich fülle meinen Pausentank sozusagen für schlechtere Zeiten auf. Für die Momente in denen die Welt nicht stehen bleibt, wenn ich eine Pause bräuchte. Wo eben keine Tür aufgeht, hinter der ich einmal kurz durchatmen kann. Ich habe diese Pause in mein Leben integriert und halte trotzig an ihr fest, um meiner Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass mein Leben nicht aus meiner eigenen Kraft gelebt wird. Das Erfolg nicht nur im Tun sondern auch im Sein liegt.
Und manchmal mache ich etwas verrücktes. Das ist ganz neu für mich und ich hatte schon ganz vergessen, dass das möglich ist. Manchmal mache ich einfach so eine Pause. Nicht, um mich zu regenerieren, auch nicht um mich zu schützen, nicht um mich zu erholen und nicht um für meine Familie gesund zu bleiben, nicht aus Überzeugung und Trotz – sondern einfach aus Freude. Einfach weil es schön ist, weil es gut tut. Einfach, weil ich möchte. Manchmal mache ich nur für mich eine Pause. Eine unnötige Pause. Ein Wellnesswochenende ohne vorher ganz ausgebrannt zu sein zum Beispiel. Einen Spaziergang statt Wäschebergen, einfach weil spazieren schöner ist als falten. „Erst das Vergnügen…“ und dann mal gucken, ob ich noch Lust habe zu Arbeiten. Einfach nur Vergnügen, einfach so, nicht als Belohnung, nicht als Vorbereitung. Nur um des Vergnügens willen. Und auf eine leichte und tiefe Art fühle ich mich in diesen Pausen unglaublich lebendig!
Und ich lerne, dass wann und aus welchem Grund ich Pausen mache ich allein entscheide. Niemand sonst. Das ist die gute und die schlechte Nachricht.
Mit diesen Worten verabschiede ich mich in die Sommerpause. Der Abgabetermin für unser Buch über Authentische Mutterschaft ist Ende Juli und dann gehts in den Urlaub. Auf Instagram bleibe ich etwas länger präsent, da mache ich nur im Familienurlaub das Handy aus. Ach nein, da nehme ich mein neues privates Handy mit und lasse das andere gleich ganz zu Hause.
Ich wünsche dir viele schöne Pausen und freue mich, dass du hier mitliest. Wenn du mir noch eine Sommerfreude machen möchtest, abonniere doch den Blog auf der Startseite unten rechts im Bild. So bekommst du meinen ersten Beitrag nach dem Sommer gleich per Email ins Postfach. Und vielleicht habe ich mich bis dahin auch in der neue Programm von Spotify eingearbeitet und kann euch meine Artikel wieder als Podcast im Podcast „Honigdusche“ vorlesen. Vielleicht magst du ja ein paar bereits vorhandene in deiner Sommerpause hören.
Du hast eine so so große Gabe, liebe Sarah! Ich liebe, wie du schreibst!
Besten Dank für deine unendlich wertvollen Gedanken!
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Ja, da kann ich meiner Vorrednerin nur zustimmen! 🥰
Eine schöne und hoffentlich zeitweise erholsame Sommerpause wünsche ich Dir!
Liebe Grüße aus Frankfurt a.M., Svenja ♥️
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Genau richtig! Weiter so….. 👍🏼 💪🏼
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