Gestern gratulierte man mir herzlich zu einem neuen Amt, in das ich gewählt worden war. Und immer wieder fielen Sätze wie: „Ich frage mich, wie du das alles machst!“ und „…wow, noch eine neue Rolle!“ Manchmal weiß ich auch nicht, wie ich es mache. Aber ich weiß, ich habe es schon immer so gemacht und es geht mir irgendwie gut damit. Ich bin die Königin des 80-20-Prinzips und liebe es einfach, viel zu tun.
In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass das aber auch Grenzen hat. Das ich Grenzen habe. Das war eine schmerzhafte Erfahrung für mich. Ich denke grundsätzlich, dass Regeln und Grenzen voll die gute Erfindung sind – für all die Menschen da draußen, die sie brauchen und denen sie helfen. Ich persönlich empfinde sie eher als bregenzeng und überflüssig und wenn ich es unangenehm finde oder mir sich der Sinn nicht sofort erschließt, halte ich mich an die einfachsten alpgemeingültigen Gesetzte nicht. Nicht, weil ich mich bewusst dagegen entscheide, sondern einfach weil ich denke, dass sie auf mich nicht zutreffen.
Und so ist es auch mit meinen vielen Projekten. Ich habe schon so oft erlebt, wie mich Mut und Wille und Leidenschaft weit über die Grenzen der Vernunft getragen haben und ich fühle mich lebendig, wenn ich das erlebe.
Und ich habe gelernt, mich auszuruhen. Ich habe das Gesetzt der Pausen tatsächlich in mein Leben integriert und zwinge mich praktisch dazu. Unter anderem dadurch, dass ich viel Geld für meinen wöchentlichen Reittag bezahle. Und so gehe ich, ob ich Lust habe, es regnet oder die ToDo-Liste überquillt. Ich gehe und mache Pause. In besonders unruhigen Zeiten, wie gerade, fällt es mir schwer mein Handy wegzulegen. Ich kann schwer ruhig werden. Es ist nicht unbedingt die Arbeit, auch private Sprachnachrichten, Interessen… mein Kopf rattert. Das gute an Pferden ist, dass sie einen ganz da brauchen. Wenn ich mit einem Pferd arbeite, lenke ich meine ganze Aufmerksamkeit und Wahrnehmung auf dieses Tier und meinen Körper. Und wenn ich ankomme, dann kommen wir in einen Flow. Dann sind wir ganz da. Dann reden wir ohne Worte. Dann zählt jeder Blick, jedes Zucken, jede Gewichtsverlagerung. Und ich komme an. Ich wünsche das jedem Tausendsassa! Diesen Flow, dieses Abschalten. Du bist nicht falsch, wenn den Kopf immer aktiv ist und du vor Ideen sprudelst. Das ist wundervoll! Aber da immer wieder mal auszusteigen und abzuschalten ist mir unglaublich wichtig geworden. Für anderen ist es vielleicht das Malen, ein Instrument spielen, einen Sport machen … was es auch ist, ich wünsche es dir von Herzen! Such diesen Ort! Jage dem Frieden nach, bis du ihn gefunden hast!
Und wenn die Ruhe in meinem ganzen System angekommen ist, wenn meine Schultern sinken, mein Kopf leer wird, meine Hände nicht mehr nach dem Handy greifen, will die Entspannung meistens noch wirken. Ich will noch ruhen, sehne mich nach einem Mittagsschlaf, nach weniger von allem. Nach noch ein bisschen Ruhe.
Und da begegne ich immer wieder einem Gedanken: „Wirst du jetzt nicht langsam ein bisschen zu nett zu dir?“ Und in mir regt sich die Sorge, dass ich faul werden könnte und mich vielleicht verwöhne. Ich sorge mich, es mit der Entspannung zu übertreiben, mir zu viel Raum zu geben. Da habe ich heute drüber nachgedacht. Habe kurz meine Oma vermisst und ihre sturen und erprobten Worte: „Das hat mir nicht geschadet.“ Wenn sie über Dinge sprach, wo sie es sich bewusst unbequem gemacht hatte – zum Wohle anderer oder zu ihrer eigenen Befriedigung. Doch ich muss ihr Wiedersprechen: Doch, Oma, das hat uns allen geschadet. Dieses preussische Erbe lässt mich heute nicht zufrieden auf dem Sofa liegen. Es lässt eine erwerbstätige Mutter von vier Kindern mit Ehrenämtern und Hühnerstall sorgenvoll überlegen, ob sie zu nett zu sich selber sei. Ein Teil in mir liebt diese Sturheit, diese Stärke und die Überzeugung wirklich Schweres ertragen und leisten zu können.
Doch heute stelle ich mir vor, ich wäre eine mütterliche gute Freundin für mich. Und ich würde mich selber ansehen, mich an den Schultern halten und mir bestimmt und lächelnd sagen: „Leg dich doch bitte hin. Wer ist denn bitte zu nett? Geht das? Wer hat dir eingeredet, dass man zu freundlich sein kann? Träum schön und ruh dich aus. Die Pausen die du gerade machst, diese tiefe Entspannung, ist das Beste was dir gerade passieren kann. Sie sind die Antwort auf „Wie machst du das bloß alles?“.“
Und in mir schmilzt etwas. Ein bisschen „du musst“ und ein wenig „du solltest“ und ich sehe alles etwas weicher, etwas weniger verbissen. Und wer weiß, vielleicht werden mich mein Mut zur Pause, meine Leidenschaft für den Flow und mein Wille, immer ein bisschen netter zu werden, mich weit über die Grenzen der Vernunft tragen, denn ein bisschen netter zu sich zu sein, das hat wirklich noch niemandem geschadet.
Vielen Dank fürs Lesen und Teilen meiner Beiträge. Auf Grund der Partnerschaft mit Ringana – und ab und zu anderen Kooperationen – kann ich euch meine Texte kostenlos zur Verfügung stellen und verdiene Geld mit der Werbung für diese Produkte. Wenn du mich unterstützen möchtest, probier sie doch einmal aus. Dann haben wir beide gewonnen.
P.s: Ich bekomme immer mal wieder Nachrichten mit Hinweisen zu Rechtschreibkorrekturen. Ich sags euch wie es ist: Wenn ich meine Texte hier mehr als einmal Korrektur lese bevor ich sie veröffentliche, bleiben sie lange liegen und mir vergeht die Freude. Ich weiß darum und ich hab da keine Zeit für 😉 „Better done than perfect“ ist mein Motto dabei und du darfst gern jeden Fehler den du entdeckst als Erinnerung nehmen, dass auch du gut genug bist. :-*
Dein Text, liebe Sarah, spricht mir aus meinem Leben in meine Seele – selbst die „Korrektur-Zeilen“ – So ist das Leben: „better done than perfect“
Herzlichst Tina – Mama von 4 und freiberuflich usw… 😉
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