Ich zähle bis drei, drohe mit Medienzeitverbot, locke mit Süßigkeiten und mute meinen Kindern ein Leben ohne Einschlafbegleitung zu. Es ist wie es ist. Nichts daran ist ein „Tipp“ zum Nachmachen. Das hier ist kein Ratgeberartikel. Das hier ist ein Entlastungsartikel. Ein Artikel einer Aussteigerin aus dem Club der perfekten Mütter. Ich habe in den letzten Jahren nicht nur gelernt, die Bedürfnisse der Kinder zu sehen, sondern auch meine. Ich habe gelernt, dass so viele gut gemeinte Erziehungsansätze aus einer tiefen Angst motiviert sind, etwas falsch zu machen. Und ich habe schon viel falsch gemacht – und habe gelernt, dass Entschuldigungen wirklich helfen. Das was ich hier teile, sind allerdings keine Fehler. Zumindest in meinen Augen nicht. Diese Punkte sind Ausdruck meiner immer pragmatischer werdenden Erziehungsmethoden. Sie helfen mir und vielleicht schenken sie deinem Mamaherzen ein bisschen Entlastung. Ich kann dir nämlich hoffnungsvoll schonmal verraten: Ich hab trotzdem echt tolle Kinder. Trotz mir und meiner Begrenzungen.

Bis drei Zählen

Seit dem Lied „Mein lieber Freund ich zähl bis drei“ von deine Freunde, muss ich wenn ich das mache innerlich über mich selber lachen. Aber ich mache es, wenn mir eine Entscheidung wirklich wichtig ist und um einen zeitlichen Raum zu schaffen in dem meine Kinder das umsetzten können. Eine meiner Töchter verhandelt diesen Raum gern und sagt manchmal: „Nein, drei ist zu kurz. Zähl bis siebzehn.“ Das mache ich gern. Außerdem sage ich vorher was die Konsequenz ist z.B. „Sonst putze ich erst Hannah die Zähne, ich habe keine Lust mehr länger auf dich zu warten.“ oder aber auch der nächste Punkt:

Medienzeitverbot

Zack, höre ich mich sagen: „Sonst gibt es morgen kein Paw Patrol.“ Ich weiß mir manchmal nicht anders zu helfen. Ich freue mich für alle Mütter, die Geduld haben in jeder Situation Bedürfnisse abzuwägen und Emotionen zu begleiten. Ich versuche da auch mein Bestes. Aber manchmal will ich einfach, das es schneller geht, das eine Grenze jetzt eingehalten wird oder jemand pünktlich zum Abendbrot das iPad ausmacht. Mir fehlen die Alternativen in solchen Situationen. Ich will nicht emotional strafen, möglichst nicht laut werden und keine Grundbedürfnisse verletzten. Medienzeit ist aber kein Grundbedürfnis und deshalb nutze ich es manchmal, um hier klarzukommen.

Kinder im eigenen Bett schlafen lassen – ohne Einschlafbegleitung

Ich bin keine Kuschlerin. Zumindest nicht nachts. Das ist mir zu heiß und zu eng. Ich will meinen Platz für mich allein so oft es geht. Das nenne ich bedürfnisorientierte Elternschaft. Wir haben ein Familienbett und jedes Kind das Angst hat oder nicht schlafen kann weiß sich darin wärmstens willkommen.

Doch abends geht erstmal jedes Kind in seinem eigenen Bett schlafen. Noch nie haben wir Einschlaftraining gemacht, kein Kind wurde dazu gezwungen, niemand hat geweint und wurde allein gelassen. Wir haben es nur einfach mit einer Selbstverständlichkeit so gemacht. Meine beiden Großen habe ich als sie klein waren selbstverständlich lange nach allen Regeln der Kunst einschlafbegleitet. Es kam mir in meiner Elternbubble herzlos vor, ihnen Gute Nacht zu sagen und den Raum zu verlassen. Bis meine dritte Tochter im Trubel des Abends immer schon von allein in ihrem Bett einschlief in das ich sie eigentlich nur zum auf mich warten gelegt hatte. Ich sah sie an, wie sie da friedlich schlief und fand mich plötzlich gar nicht so herzlos – eher entlastet.

Seitdem wich die Begleitung eher einem aufmerksamen Beobachten der einzelnen Kinder und Erwachsenen am Abend und einem Abwägen, was jede:r braucht und was davon machbar ist. Ein Kind hört immer das gleiche Hörspiel – seit Jahren. Ein Kind möchte gern eine Geschichte lesen. Ein anderes braucht häufig nochmal jemanden zum Reden. Manchmal habe ich noch einen Call am Abend und wenn mein Mann da beim Sport ist, dann müssen einige dieser Wünsche unbefriedigt bleiben. Manchmal bin ich selber müde. Manchmal genieß ich selbst das Quatschen am Abend total. Aber vor allem genieße ich mein Bett und meinen freien Abend. Beides gehört in diesem Alter der Kinder noch selbstverständlich den Erwachsenen bei uns.

Mit Süßigkeiten locken

Ai, das wird ja immer schlimmer. Als ich gerade Mama geworden war, habe ich bei dieser Aussage schon die Essstörung klopfen gehört. Doch heute weiß ich, dass meine Kinder wahnsinnig hungrig aus der Kita und Schule kommen und den Kleinen fällt es oft so schwer, sich aus der Kita zu verabschieden. Weil ein Alltag mit vier Kindern, aber auch Termine von vier Kindern beinhaltet, habe ich selten die Zeit mich ganz auf ihr Tempo einzulassen. Dass seit einer Weile im Auto ein leckerer Riegel für die Rückfahrt wartet, verhindert nicht nur das Einschlafen, sondern hilft uns auch allen friedlicher, glücklicher und schneller loszukommen.

Medien als Babysitter

Wir haben eigentlich einen ganz guten Umgang mit Medien kann man sagen. Es gibt klare Zeiten und vorher wird Klavier geübt und Hausaufgaben erledigt. Aber manchmal mache ich den Kindern die köstlichsten Snackteller und verteile sie vor alle Geräte um in Ruhe die Küche aufzuräumen, einen Artikel fertig zu schreiben, ein Telefonat zu führen oder einfach in Ruhe zu atmen und meinen Hühnern einen Apfel zu füttern. Und das Beste: Ich mache das ohne schlechtes Gewissen! Ich glaube meinen Kindern geht es super in diesem Moment. Und leider habe ich eben manchmal nicht die Wahl zwischen medienfreinem entschleunigtem Familienleben und Snacktellern vorm iPad. Die tatsächliche Wahl ist zwischen einer gestressten, meckernden und überforderten Mutter mit Kindern ohne iPad oder einer ruhigeren, sortierten Mama mit Kindern vorm iPad.

Mögen die perfekten Mütter mich für meine Grenzen und meinen Pragmatismus verurteilen oder belächeln – ich gönne es allen, die es anders und vermeintlich besser machen. Doch aus ihrem Club bin ich vor längerer Zeit schon ausgestiegen. Und ich kann das nur empfehlen!

4 Antworten auf „Pragmatische Erziehung – und wie sie uns entlastet

  1. Hallo liebe Sarah, ich möchte dir sagen, dass deine Artikel sich sehr verändert haben und ich diese Sarah viel lieber mag, die du uns darin offenbarst. Vorher schien bei dir alles so perfekt, wie du Familie und Job unter einen Hut gebracht hast und dabei unmerklich mit einem weiteren Kind schwanger wurdest und es ganz nebenbei zur Welt gebracht hast. Mit der Sarah aus deinen jetzigen Artikeln kann ich mich viel besser identifizieren 😉 Mich würden noch Texte zu deiner stillen Zeit mit vier Kindern interessieren und wie ein Familienurlaub bei euch aussieht, falls du dazu noch nichts veröffentlicht haben solltest. Ansonsten würde ich mich über eine Verlinkung freuen. Liebe Grüße, Yasemin

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  2. i feel you 🙂 Wir haben so ziemlich die gleichen Erfahrungen und Entscheidungen gemacht und denken, unsere Kids fahren damit wo gut wie wir auch! Danke fürs teilen und herzliche Grüsse Katinka

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  3. …bei uns lief es leider nicht so einfach, doch wir haben unseren Kindern trotzdem zugemutet, alleine einzuschlafen. Für den Familienfrieden. Inzwischen geht es allen gut damit – besser als vorher.

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