Was ist dringend, was ich wichtig? Eine Pause wäre gut, denke ich. Oma ist tot, denke ich. Ich habe meinen Hahn geschlachtet. Meine ToDo Liste ist lang. Ich hätte Lust zu arbeiten, Lust auf messbares. Ich würde mich vielleicht ganz gern um sachliches drehen. Oder aufräumen und mein Leben in Ordnung bringen. Doch was bringt das schon?

Oma ist tot.

Und das Leben geht irgendwie weiter. Die Wäsche liegt da und wartet auf Ihre Schubladen und die Krümmel auf dem Boden sehnen sich nach einem Sauger. Ich könnte die Briefe öffnen. Doch was bringt das schon?

Es ist doch oft nur ein über Wasser halten. Dem Leben so viel Sicherheit und Struktur geben, dass wir irgendwann selber glauben, wir könnten es in Ordnung bringen. Doch nichts ist in Ordnung und alles ist in Ordnung.

Oma ist tot.

Es gibt gerade so viel dringliches, das doch plötzlich warten kann. Heute gibts Miracoli und morgen Pizza. Ich habe Nutellabrot gefrühstückt. Und alles ist in Ordnung. Denn der Tod lehrt uns Leben. Er nimmt uns den Schleier der Kontrolle. Er nimmt uns die Illusion der Ordnung. Und er lehrt uns die Weisheit der Rhythmen und das Vertrauen in den Kreislauf.

Oma ist tot.

So ist das Leben. Meine Tochter sagte heute als sie mir beim Anziehen zuschaute, sie würde sich auch irgendwann einen schönen BH kaufen wollen, wenn sie groß ist. „Aber dann bist du ja bestimmt schon tot, Mama.“ sagte sie mit einer Leichtigkeit, die nur Menschen haben, die noch nicht von Zeit getrieben sind. Ich habe einen geliebten Menschen überlebt und geliebte Menschen werden mich überleben.

Oma ist tot.

Und ich rücke nach. Nehme noch mehr meinen Platz ein. Lasse mir noch ein bisschen egaler werden, was die Menschen denken. Ich bin jetzt schließlich die zweite Generation bis zum Tod. Wer wenn nicht ich kann jetzt entscheiden, was für mich gut ist und wann wenn nicht jetzt kann mein „Nein“ ein vollständiger Satz werden.

Oma ist tot. Und wir leben.

Wir leben weiter. Lehre uns zu sterben auf das wir klug werden. Gestern noch dachte ich, dass Altersvorsorge und Immobilienkauf jetzt ganz oben auf meiner Agenda stehen müssten. Und vielleicht sollte man zur Mitte des Lebens auch eine Rechtsschutzversicherung haben? Doch heute legt die Kluge in mir ihre Beine hoch. Eine Pause wäre jetzt gut. Schreiben wäre jetzt gut. Atmen wäre jetzt gut. Sie sieht die Wäsche und die Krümmel und alles was längst nicht in Ordnung ist. Und sie sieht ihrer Endlichkeit in die Augen und fragt sich, welche Teile der Wühlschublade mich wohl überleben werden.

Oma ist tot. Und ich werde es jetzt nicht in Ordnung bringen.

2 Antworten auf „Oma ist tot.

  1. Hallo Sarah,
    ich kann Dich so gut verstehen. Mein Papa ist grad gestorben und neben der Trauer gilt es jetzt sic auch noch um den Nachlass zu kümmern. Fühlt sich komisch an und veranlasst mich, ein wenig auszumisten und mein Leben zu überdenken. Irgendwie bin ich an einem Wendepunkt angelangt und muss Entscheidungen fällen…..

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