Ich dachte, ich hatte alles aufgegeben. War ganz unten angekommen. Nur um dann zu merken, dass es nötig war um wieder neu beschenkt zu werden.

Das letzte Jahr war – wie uns zugegeben in Aussicht gestellt wurde – hart. Es war unser erstes Jahr in Äthiopien und wir kämpften nicht nur mit den Viren und Bakterien hier, sondern auch mit der Ungerechtigkeit um uns herum und weil wir schon dabei waren, gleich mit der der ganzen Welt. Für uns würde es besonders schwierig werden, sagte man uns, da wir ein Projekt starten und nicht irgendwo mit einer festen Arbeitsplatzbeschreibung einsteigen. Wir verließen Deutschland dennoch zuversichtlich und konnten uns gar nicht vorstellen, was genau „hart“ denn bedeutet und wie sich das anfühlen könnte. Aber es kam schneller als wir gucken konnten und richtig realisieren tun wir es wohl erst jetzt im Rückblick. Deshalb beginne ich auch jetzt erst wieder zu teilen, was ich schreibe, denn vorher habe ich es oft selbst nicht verstanden. Vielleicht war das eine kulturelle Schockstarre oder so.

Nach unserer Ankunft in Äthiopien wurden wir von unseren äthiopischen Partnern freundliche begrüßt um dann deutlich und höflich die Erwartung entgegen gebracht zu bekommen, dass wir doch als „Reiche“ einige Gehälter finanzieren könnten. Sonst könnten wir machen was wir wollen, aber für mehr brauche man uns eigentlich auch nicht. Das saß.

Wir selbst hatten eine ganz andere Selbstwahrnehmung. Wir hatten in Deutschland gerade unsere Jobs gekündigt und lebten jetzt von einem Spenderkreis, wir dachten, man könne ökonomisch nicht viel tiefer sinken. Niemals zuvor hatten wir uns als reich empfunden. Doch die Äthiopier belehrten uns eines besseren und im globalen Vergleich haben sie wohl auch tatsächlich die realistischere Perspektive. Nun waren wir also reich.

„In Äthiopien muss man erstmal Beziehungen aufbauen, wenn man partnerschaftlich arbeiten will“ hatte man uns gesagt. Und das wollten wir von Anfang an. Wir wollen mit Äthiopiern zusammen arbeiten, nicht für sie und nicht an ihnen vorbei. Aber es war so hart. Ich musste echt immer wieder vergeben und mich richtig fokussieren um die Menschen, von denen wir wussten, dass sie einzig und allein an unserem Geld interessiert waren, immer und immer wieder zum Cafe einzuladen, meine Kinder bei 30 Grad ohne Lüftung durch die Stadt zu kurven – ich selbst hochschwanger – und auf komisch organisierte Events fahren die wieder darauf angelegt waren uns als Sponsoren für irgendein Bauprojekt zu gewinnen. Dabei freundlich zu bleiben und nicht aus den Augen verlieren wozu wir das alles machten: Um Beziehungen aufzubauen. 

Dazu kam dieses nagende Gefühl, hier niemand zu sein. All meine Fähigkeiten, meine Persönlichkeit und das was andere in Deutschland an mir bewunderten, sah hier niemand. Mein Stolz und mein Ego starben hier einige Tode. Und es war ein gutes Sterben. Denn manchmal müssen Dinge sterben, damit neues Leben entstehen kann, oder? 

Heute ist mir fast schleierhaft, wie es passieren konnte. Es ist wohl eine Mischung aus den vielen kleinen Schritten die wir gemacht haben und ganz viel Gunst und Gnade, aber unserer Hauptpartner wartete dieses Mal am Tag unserer Ankunft nach unserem Heimataufenthalt 3 Stunden am Flughafen auf uns. Ungefragt und einfach nur um uns zu begrüßen! Am Sonntag kommt er zum Café um Pläne für das nächste Jahr zu schmieden. Er kennt uns, er mag uns und er möchte mit uns zusammen arbeiten und seine Fähigkeiten mit unseren verschmelzen lassen, damit wir gemeinsam Äthiopiens Dörfer stärken können.

Wir sind hier! Wir sind angekommen. Wir gehören jetzt dazu. Ein bisschen zumindest.

Flughafen und Zoll passierten wir ganz ohne Probleme. Wir wussten, wie man sich in Schlangen anstellt, mit wem man spricht, wo man höflich nickt und wo man ein bisschen Amharisch spielen lassen muss um gemocht zu werden. 

In unserem Haus kamen wir an, Betten frisch bezogen. Und in den ersten Tagen kamen nach und nach Nachbarn und Freunde vorbei um uns zu begrüßen. Alles war ganz normal. Das war unser Haus, unser Dorf unsere Freunde. Wir gehören hierher. Und nun stehe ich hier unter Äthiopiens Palmen und gucke auf diese niedlichen Babyfüße, die in der Sonne an meinen Hüften baumeln und sehe mir unser Leben an und denke: Kein anderes will ich haben! Wenn es das gekostet hat um hier anzukommen, dann war es das wert! 

Wenn du mehr über unsere Arbeit erfahren möchtest, besuche gern unsere Website www.das-addis-projekt.de Dort kannst du auch unseren Newsletter abonnieren. Wenn du unsere Arbeit finanziell unterstützen möchtest, kannst du deine Spende an diese Adresse senden:

mt:28 gGmbH // IBAN: DE88 6005 0101 0002 1912 54 // Verwendungszweck: AM 310 / Keshtkaran, Äthiopien + deine Adresse & Email (@ als (at) angeben)

 

4 Antworten auf „Auswandern Update Jan. 2020 // Das wars wert!

  1. Liebe Sarah! Wow – wiedermal ein superguter, berührender, ehrlicher Bericht!!! Du hast im Schreiben eine sehr große Begabung! !!! Oh das mit dem Geld… Das kenne ich von unserer Arbeit in Indien seit 34 Jahren! Und dennoch – im Vergleich zu Indien oder Äthiopien sind wir wirklich reich. Aber wir wollen auch wertgeschätzt werden unabhängig von unserem Geld! Das dauert – aber schon jetzt – nach nur einem Jahr ändert sich etwas für Euch in Äthiopien und Beziehungen wachsen!!! Wunderbar! Dafür bete ich gerne für Euch – hatte vor diesem Brief gerade für Euch gebetet!!! Gott segne Euch weiter!!! LG Jutta

    h o n i g d u s c h e schrieb am Do., 9. Jan. 2020, 09:10:

    > Sarah K. posted: „Ich dachte, ich hatte alles aufgegeben. War ganz unten > angekommen. Nur um dann zu merken, dass es nötig war um wieder neu > beschenkt zu werden. Das letzte Jahr war – wie uns zugegeben in Aussicht > gestellt wurde – hart. Es war unser erstes Jahr in Äthiopie“ >

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  2. Hallo Sarah, ich habe vor einiger Zeit deinen Blog entdeckt und finde ihn sehr schön zu lesen.
    Was euer Projekt angeht: Auch nach dem ich mir die Website angesehen habe, ist mir noch völlig unklar, was ihr eigentlich tut. Was ist das Ziel eures Projekts?

    Es klingt nämlich vor allem nach sozialer Dienstleistung (Empowerment) und da frage ich mich, wieso ihr das allein als Unausgebildete macht (Ihr seid keine Sozialarbeiter und arbeitet nicht für eine soziale Einrichtung)? Gott wird irgendwie am Rande erwähnt und die Unterstützung von „Leitern“ (geistlich oder Dorfvorsteher?), aber scheinbar seht ihr das nicht als missionarisches Projekt?
    Es ist mir überhaupt nicht ersichtlich, was euer Ziel ist und was ihr konkret tut?

    Liebe Grüße!

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  3. Vielen Dank für diesen ehrlichen, persönlichen und interessanten Bericht. Mir wurde einmal von einem Projektleiter gesagt, dass er den Eindruck hat, wenn man in einem fremden Land Fuß fassen will, ist es oft, dass man m Anfang hingehalten wird. Er meinte es sei, als ob sie einen hungern lassen, um zu sehen, ob man überlebt. Wer bleibt und überlebt und sich nicht unterkriegen lässt, dem würden nach einer Zeit von zwei drei Jahren wie magisch alle Türen geöffnet.
    Wenn ich deinen Bericht lese, dann stimmt das wohl. Ich bin nun auch drei Jahre in Athen, es war bei weitem nicht so schwer wie bei euch, aber es gab streckenweise schon ds Gefühl auf die Probe gestellt zu werden. Und wie du sagst, das Beschenktwerden ist dann erst möglich.
    Lieben Gruß Julia

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  4. Ja, das macht total Sinn. Ich habe manchmal tatsächlich das Gefühl, dass es im ersten jähr so war als würde man über uns denken: „Na, mal sehen, wie ernst sie das meinen“ =)

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