Als wir die Entscheidung trafen, nach Äthiopien auszuwandern, konnte ich sie schon fragen hören. In jedem von uns steckt ja irgendwie ein People-Pleaser und auch ich möchte am Liebsten, dass mich alle mögen. Doch bei dieser Entscheidung siegten meine tiefsten Überzeugungen und Werte über dem Wunsch gemocht zu werden und Beifall zu bekommen. Diese Entscheidung trafen wir, weil sie für uns richtig und wichtig und nicht, weil sie gesellschaftskonform oder besonders angesehnen sein würde: Wir gehen nach Äthiopien. Und das wird uns alle etwas kosten – ja, auch unsere Kinder. Und wir sind überzeugt, das wird uns alle reicher zurücklassen – auch unsere Kinder.

Ich hatte damit gerechnet, dass alle meine Freundinnen mich mit großen Augen angucken werden und fragen werden: „Wie kannst du das deinen Kindern antun!?“, wenn ich ihnen von unseren Plänen erzählte. Aber es stellte sich heraus, dass meine Freundinnen mich besser kannten als ich vermutete und, dass sie mehr Vertrauen in meine Unteilskraft und meine Vernunft hatten als ich dachte. Sowieso wurde mir diese Frage selten gestellt. Eher so in höflicher Form von: „Und wie wollt ihr das mit den Kindern machen?“ oder „Das ist ja bestimmt auch für die Kinder nicht einfach, oder?“. „Wie kann sie das ihren Kindern antun?“ war dafür die Frage, die meinen Freundinnen gestellt wurde.

Manchmal frage ich mich das selbst: „Mute ich ihnen zu viel zu?“ Ich bin eine Mutter und möchte nur das Allerbeste für meine Kinder. Doch darüber hinaus haben wir Werte und Überzeugungen, die über dieses erste Bedürfnis, es meinen Kindern möglichst einfach und schön zu machen, hinaus gehen. Und anhand dieses Vorwurfs, wie ich das meinen Kindern antun kann, merke ich im Moment immer wieder wie counter-cultural diese Überzeugungen sind. Deshalb dachte ich, ich teile sie mal mit euch und höre mal, was ihr dazu meint.

DIE KINDER SIND NICHT DER MITTELPUNKT // Ich habe letztens schon einmal darüber geschrieben, dass unsere Kinder nicht dazu da sind, uns glücklich zu machen. Und jetzt gehe ich noch einen Schritt weiter und sage, unsere Kinder sind nicht unser Lebensmittelpunkt. Wir treffen nicht alle Entscheidungen gemessen an der Frage, was das angenehmste und einfachste für sie ist. Unser Kinder wurden in unser Leben geboren und begleiten uns auf unserem Weg. Sie laufen einen Stück unseres Lebensweges mit uns uns wir geben dabei darauf Acht, dass es ihnen gut geht und, dass sie dich wichtigsten Dinge über das Leben lernen. Wir sind die Erwachsenen und sie die Kinder und ich glaube, diese Hierarchie tut ihnen gut. Ich glaube, sie entlastet sie letztendlich und gibt ihnen die Freiheit erst einmal verantwortungslose Kinder zu sein und das Leben an unserer Seite zu genießen.

„Im Hafen ist das Schiff sicher vor dem Sturm. Aber dazu sind Schiffe nicht gemacht.“

 

ERFÜLLTES LEBEN // Der einfachste Weg ist natürlich, es unseren Kindern möglichst einfach zu machen. Möglichst wenig Veränderung, sie bekommen nicht nur was ihre Bedürfnisse sind, sondern auch jeden Wunsch von den Lippen abgelesen. Doch ich merke, dass unsere Gesellschaft genau an dieser Stelle krankt. Wir wollen ein angenehmes und einfaches Leben, aber das gibt es nicht. Diese Welt ist nicht immer und überall happy-clappy und Menschen trotz Enttäuschungen zu lieben, ist nicht immer einfach. Und das muss es auch nicht sein. Ein erfülltes Leben ist meiner Meinung nach schön und wundervoll, auch wenn es nicht einfach ist. Menschen, die einen tieferen Sinn im Leben sehen und höhere Ziele verfolgen, sind nicht nur in angenehmen Situationen glücklich. Und ich wünsche mir, dass wir unseren Kindern diese Vorbilder sind und, dass sie ein erfülltes Leben für sich finden.

 

DAS „WIR“ ALS ZU HAUSE // Noch während wir über diese Entscheidung nachdachten, sprachen wir natürlich mit kompetenten und erfahrenen Menschen und lasen einige Bücher. Ein Satz der mir dabei hängen geblieben ist, geht mir seitdem nicht aus dem Kopf: „Eure Kinder werden glücklich sein – egal wo ihr seid. Solange eure Ehe funktioniert und ihr ein erfülltes Leben lebt.“ Dieser Satz fordert mich heraus, andere Maßstäbe an das was mir wichtig ist, anzusetzen. Wie oft denken wir, dass wir unsere Kinder glücklich machen wenn wir ihre Freizeit toll gestalten, schöne Urlaube machen, eine tolle Kita finden und sie schönes Spielzeug haben? Aber was wenn all das gar nicht glücklich macht? Was wenn ein Abend zu zweit, eine Ehetherapie oder mit dem Ehepartner ein Buch zu lesen, ein viel besseres Investment in ihre Zukunft wäre? Und was wäre, wenn nicht der schön dekorierte Ort an dem wir wohnen, das wirkliche zu Hause ist, sondern wir als Eltern ihnen ein sicheres und friedvolles zu Hase schenken – egal wo und wie wir leben.

 

Willst du recht zu Hause sein,
Kehre in dich selber ein.

Otto von Leixner

 

Wie ich meinen Kindern das antun kann? Ich würde es nicht machen, wenn ich nicht eine große Hoffnung hätte, dass sie aus dieser Lebensphase voller reicher Erinnerungen und einem weiten Horizont und einem wachen Blick auf eine große weite Welt hinausgehen würden. Ich würde, das hier niemandem von uns „antun“, wenn ich nicht wüsste, dass es für uns jetzt genau richtig und, dass dort drüben in Äthiopien ein erfülltes Leben auf uns wartet. Und ich würde mich das nicht trauen, wenn ich nicht sicher wäre, dass zu Hause dort ist, wo wir „Wir“ sind. Während ich das schreibe, bin ich unendlich dankbar, diese Erfahrung machen zu dürfen. Ich habe schon in den Vorbereitungen so viel gelernt! Wenn einmal alles auf Eis gelegt wird und alles in Frage gestellt wird, merken wir was uns wirklich wichtig ist und wie wir leben wollen. Eigentlich denke ich mittlerweile sogar, es würde jedem einmal gut tun sich auf eine Auswanderung vorzubereiten. Ich würde es auf jeden Fall jedem wünschen. Einfach, weil es mir so gut getan hat, alles einmal zu hinterfragen. Und weil es so schön ist, frei von all dem Gerümpel in unseren Schränken und im Keller zu sein. Und weil es so gut tut, all diese selbstverständlichen Lebensgrundsätze, die wir hier im schönen Deutschland zu haben, mal auf den Prüfstand zu stellen.

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Mehr zu diesem Thema: Auswandern: Wir wagen den Schritt! // Wie wir versuchen unsere Kinder zu dankbaren, verantwortungsbewussten und hilfsbereiten Menschen zu erziehen // Zwischen den Kulturen leben // Wie normale Menschen die Welt verändern // Biografie-Buchempfehlungen

17 Antworten auf „„Wie kann sie ihre Kinder ans Ende der Welt schleppen?!“

  1. Danke für diesen wunderbaren Text und die Einblicke in deine Gedanken und Gefühle!

    Du hast viele Sachen erwähnt, die wirklich richtig gut sind! Ich werde wohl die nächste Zeit über einiges Nachdenken dürfen!

    Hab noch einen schönen Tag!

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  2. Hallo Sarah, vor kurzem habe ich auf deinen Blog gefunden, vielen Dank für deine wertvollen Gedanken, die du hier mit uns teilst. Ich bin auch überzeugt, dass der Beste Weg (bzw. der bequeme, den wir dafür halten) nicht der beste Weg für uns ist und auch nicht für die Kinder. In unserer Gesellschaft halten wir alles für machbar, planbar und kontrollierbar und denken, so könnten und müssten wir auch unsere Kinder formen, wie wir uns das vorstellen. Die wertvollsten Dinge habe ich persönlich in den schwierigsten Zeiten gelernt. Der Segen, der daraus fließt, wenn wir Gott nach dem Weg fragen, wird auch unsere Kinder erreichen.
    Liebe Grüße, Jojo

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  3. Ich finde eure Entscheidung so spannend – und ich denke, dass eure Kinder sehr von dieser Erfahrung profitieren können. Es sind nämlich nicht die Kinder, die sich ein angenehmes und bequemes Leben wünschen – sondern unsere Gesellschaft…

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  4. Nicht ein angenehmes und problemloses Leben wollen Kinder, sondern gesehen zu werden. Und nach 20ig auch, dass die Eltern beginnen die Projekte der Kinder zu unterstützen.

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  5. Ich finde, es kommt auch sehr auf das Alter der Kinder an… Wie sehen das gerade mit unseren „Vielleicht-Umzugsplänen“. Die Kleinen, ach, die kommen einfach mit. Und die gewöhnen sich doch auch schnell um… Und für die ist es das reinste Abeneteuer. Der Sechsjährige: „Warte, Mama, ich pack gleich meinen Koffer!“ Aber gerade das Vor- und Pubertätsalter finde ich schon sehr sensibel. Wenn einer absolut nicht wollen würde, dann würden wir es – glaub ich – nicht machen. Kürzlich las ich, dass eine Umzugserfahrung für manche Kinder ähnlich schlimm ist wie die Trennung der Eltern. Das gilt, denke ich, nicht für kleinere Kinder. Und ich glaube auch, dass wir als „Sippe“ so viel Sicherheit und Geborgenheit geben, dass der Ort nicht das Allesentscheidende ist. Die Kinder haben uns, die Kinder haben sich, die Basis bleibt…
    Ihr habt eine Entscheidung getroffen und so wie es sich liest, war die nicht nur gut – sondern dazu auch noch zu einer guten Zeit 🙂 Gott möge eure Pläne segnen und euch führen und leiten… Liebe Grüße, Martha

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  6. Oh ja Martha, da hast du recht! Was ich geschrieben habe gilt tatsächlich nur für Kleinkinder! Sobald die Kinder größer sind, bekommen sie sicherlich bei solchen Entscheidungen immer mehr Mitspracherecht. Und wenn Kinder richtige Freundschaften pflegen und zur Schule gehen ist das natürlich alles nochmal etwas komplexer 😊

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  7. Liebe Sarah,
    Danke für deine Worte. Wir wandern auch bald aus und du sprichst mir aus der Seele! 🙂
    Seid gesegnet für diesen mutigen Schritt auch wenn er nicht gesellschaftskonform ist! 😉

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